Sichtbarkeit von Vermittlung im Museum
In der Kunstvermittlung spielt das Zeigen von Projektergebnissen eine wichtige Rolle. Ergebnisse, die von Teilnehmenden im Rahmen einer Projektwoche im Museum erarbeitet wurden, werden oft in Form einer öffentlichen Präsentation sichtbar gemacht. Das Sichtbarmachen von Ideen und Anliegen der Projektbeteiligten kann die Motivation und Konzentration innerhalb eines Projekts verstärken und den Beteiligten vermitteln, dass ihre Beiträge im Museum ernst genommen werden. Doch das Zeigen von Projektergebnissen im Ausstellungsraum kann auch für andere Besucher*innen neue Zugänge zu den Museumsobjekten eröffnen. Nicht zuletzt ist das Museum ein Ort, der den Dingen, die darin gezeigt werden, eine besondere Bedeutung gibt und die Entscheidung darüber, was im Museum auf welche Weise sichtbar gemacht wird, liegt klassischerweise bei den Museumsleitungen und Kurator*innen. Wenn dagegen Schüler*innen im Museum aktiv Raum einnehmen, stellt dies in vielen Museen immer noch eine deutliche Verschiebung von institutionellen Grenzen und Hierarchien dar.
Das Schulprojekt „Schneller! Höher! Weiter!“ ist ein Beispiel dafür, wie im Rahmen von lab.Bode Vermittlung außerhalb der ihr zugeordneten Vermittlungsräume innerhalb des Museums sichtbar wurde. In Auseinandersetzung mit einem zentralen und für alle Museumsnutzer*innen sichtbaren Objekt, dem Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, beschäftigten sich Schüler*innen einer 8. Klasse mit den Themen Macht und Status. Das Reiterstandbild steht im Eingangsbereich des Bode-Museums, einem neobarocken Kuppelraum mit zwei geschwungenen Treppenaufgängen.
In Übungen erarbeiteten die Schüler*innen Ideen, wie sie dem Kurfürsten auf Augenhöhe begegnen können und was sie ihm entgegensetzen würden. Mit drei raumgreifenden Installationen aus Holz, die sie im Eingangsbereich des Bode-Museums platzierten, nahmen die beteiligten Schüler*innen in diesem Projekt wortwörtlich und ganz konkret Museumsraum ein.
Die Idee – Herausforderungen und Grenzen
Die Ausgangsidee der Vermittler*innen war es, in diesem Projekt mit dem Kurfürsten im repräsentativen Eingangsbereich des Bode-Museums in rund sechs Metern Höhe auf Augenhöhe zu kommen. Dafür planten sie mit den Projekteilnehmer*innen eine Konstruktion zu bauen, die bis hoch zum Reiterstandbild reichen sollte. Der Bauprozess sollte über die Projektlaufzeit unmittelbar am Reiterstandbild stattfinden und so für alle Nutzer*innen des Bode-Museums einsehbar sein. Vermittlung sollte nicht hinter verschlossenen Türen eines Werkraums (irgendwo im Keller des Museums) stattfinden, sondern in den Ausstellungsräumen selbst in direktem Bezug zu den Objekten.
Schon die Konzeptionsgespräche bei der Planung des Projekts, die zwischen Workshopleiter*innen und der lab.Bode-Mitarbeiterin stattfanden, waren von einem ständigen Abklopfen der Grenzen und Möglichkeiten innerhalb der Institution Museum geprägt. Können wir eine große Holzkonstruktion während der Öffnungszeiten des Museums bauen? Mit welchen Materialien dürfen wir in direkter Nähe zu Ausstellungsstücken arbeiten? Wie sichern wir eine solche „Baustelle“ innerhalb des öffentlichen Museumsbetriebs ab? Was dürfen wir in dem denkmalgeschützten Raum, der „Großen Kuppel“ überhaupt? Eine weitere, meist nur intern ausgesprochene Grenze, bildete die Frage nach der Ästhetik dessen, was im Museum zeigbar ist. Wer darf hier entscheiden, was in diesem Museumsraum auf welche Weise sichtbar wird? Der*die zuständige Kurator*in, die Vermittler*innen oder die Schüler*innen selbst?
Schnell wurde in Gesprächen mit der Abteilung für Sicherheit der Staatlichen Museen zu Berlin klar, dass ein solches Vorhaben zahlreiche Sicherheitsrisiken barg. Das Bauen mit brennbaren Materialien wie Holz erhöht die Brandlast. Eine selbstgebaute Konstruktion, die wie geplant betreten werden sollte, müsste vom TÜV auf ihre Statik geprüft werden. Außerdem wären durch eine Bauaktion in der großen Kuppel Fluchtwege verstellt worden. Restauratorische Vorgaben kamen hinzu, so sind beispielsweise Nasstechniken und alles, was Staub produziert, in der Nähe von Ausstellungsobjekten nicht erlaubt. Arbeiten mit organischen Materialien sowie lösemittelhaltige Werkstoffe sind aus restauratorischen Gründen ebenfalls untersagt. Holz muss stets mit zwei Schichten Lack auf Acrylbasis abgesperrt werden, bevor es in die lab.Bode-Räume gebracht und dort weiterverarbeitet werden darf.
Als Antworten auf diese Herausforderungen wurden Alternativen entwickelt. Eine Idee, um auf Höhe des Reiterstandbilds zu kommen, war zwischenzeitlich eine Hebebühne zu leihen. Diese hätte dann wie eine Bühne oder Plattform für die Schüler*innen und eventuell auch für Besucher*innen fungiert. In den ersten Terminen mit den Schüler*innen, zeigte sich aber, dass sie weniger an performativen Methoden interessiert waren, sondern vor allem selbst etwas bauen wollten. In Abwägung der vorab beschriebenen Sicherheitsbedenken und der Motivation der Schüler*innen, entschieden sich die Workshopleiter*innen schlussendlich dafür, mit den Schüler*innen in Kleingruppen Objekte aus Holz zu bauen.
Nach zwei einführenden Terminen in der Schule fand die Projektarbeit dann an sieben vierstündigen Terminen im Bode-Museum statt. Die lab.Bode-Vermittlungsräume wurden für das Bauen mit Holz zu provisorischen Werkstätten umfunktioniert. Im Projektverlauf stellte sich insbesondere der Materialtransport von größeren Holzteilen durch die Ausstellungsräume als Herausforderung dar. Spontane Materialanschaffungen, je nach Bedarf der von den Schüler*innen entwickelten Ideen, waren mit vielen Widerständen innerhalb der regulären Museumsabläufe verbunden. Dies löste auch Unsicherheit und teilweise Ärger bei den Schüler*innen aus. Warum sollten sie im Museum gegen diese Widerstände arbeiten, wenn sie doch auch in der Holzwerkstatt ihrer Schule bauen könnten? An diesem Konflikt wird in der rückblickenden Reflexion deutlich, wie wichtig es ist, schon bei der Entwicklung eines Projekts kritisch zu reflektieren: Wessen Interesse ist es, in den Museumsraum zu intervenieren? Von den beteiligten Erwachsenen (Vermittler*innen, Lehrkraft) war von Anfang an als ein Ziel des Projekts gesetzt, dass Ergebnisse gezeigt werden. Für lab.Bode ging es dabei darum, Hierarchien zu verschieben und den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, diesen prominenten Raum im Museum einzunehmen. Die Hoffnung war, dass durch die Interventionen der Jugendlichen neue Zugänge zu dem Reiterstandbild entstünden und gleichzeitig die Vermittlungsarbeit für alle Museumsnutzer*innen sichtbar würde. Doch was wollten die Schüler*innen?
Auch sie äußersten von Beginn an den Wunsch, gemeinsam etwas Großes zu bauen und dies im Museum zu zeigen. Für sie spielte aber die Dimension der Grenzverschiebung im Museum keine Rolle und wurde von ihnen als hinderlich und störend empfunden. Karen Winzer, eine der Workshopleiter*innen, brachte es in einem Reflexionsgespräch so auf den Punkt: „Die Schüler*innen wollen sich und ihre Arbeit gerne zeigen. Aber sie wollen selbst entscheiden was sie wie zeigen. Sie wollen ihre fertige Installation im Ausstellungsraum präsentieren und nicht von Besucher*innen dabei beobachtet werden, wie sie schwitzend mit der Säge über dem Holz hängen.“
Eine wichtige Wertschätzung erhielt das Projekt dann in einem gemeinsamen Termin mit dem Museumsdirektor und der Kuratorin für Outreach. Die Schüler*innen zeigten ihre, sich noch im Prozess befindenden Objekte und erklärten, in welchem Zusammenhang sie aus ihrer Sicht zu dem Reiterstandbild des Kurfürsten standen. Sie besprachen außerdem die Idee, die Holzobjekte in direkter Nähe zum Reiterstandbild auszustellen. Die nötigen Sicherheitsvorkehrungen und Rahmenbedingungen für diese Präsentation hatte die lab.Bode-Mitarbeiterin vorab intern geklärt und den Museumsdirektor darüber informiert.
Zum Abschluss wurden die entstandenen Holzobjekte in der „Großen Kuppel“, dem repräsentativen Eingangsbereich des Museums gezeigt. Sie wurden temporär ein Teil des Museums und standen in direktem Bezug zum Raum und dem zentralen Reiterstandbild. Eine zusätzliche Aufsichtskraft wurde für die Installationen eingesetzt und ein zusätzlicher Handfeuerlöscher musste bereitstehen.
Museum als Aktionsraum
Auch wenn die eigentliche Projektarbeit nicht wie angedacht in der „Großen Kuppel“ stattfinden konnte, wurde hier die Installationen für die Präsentation gemeinsam mit den Schüler*innen während der Öffnungszeiten aufgebaut. Es entstand eine raumgreifende Installation im Eingangsbereich des Bode-Museum. Sie bestand aus drei Holzobjekten, die sich auf den Projekttitel bezogen:
1. Schneller! – Ein Ferrari im Maßstab 1:1
2. Höher! – Eine Landeplattform für eine Drohne
3. Weiter! – Eine Armbrust mit Fernrohr
Ästhetisch stellten die drei Objekte der Schüler*innen einen Bruch mit dem neobarocken Raum, der „Großen Kuppel“ dar. Aus hellem Holz und mit klaren, geraden Linien wirken sie eher wie zeitgenössische Kunstinstallationen. Inhaltlich bezogen sie jedoch weniger eine Gegenposition zu den Statussymbolen und den repräsentativen Machtsymbolen des Reiterstandbilds, sondern aktualisierten diese vielmehr. Die Jugendlichen griffen die grundlegenden Statussymbole wie Pferd, Rüstung und Kommandostab auf und fanden dafür Gegenstände aus der heutigen Zeit. Der Kurfürst hätte aus ihrer Sicht heute beispielsweise eine Drohne, um seine Feinde schon in weiter Entfernung zu sehen und den Überblick zu bewahren oder er hätte statt des Pferds einen schnellen Sportwagen. Gleichzeitig spielten sie in ihren Installationen mit der Idee, auf Augenhöhe mit dem Kurfürsten zu kommen und luden Betrachter*innen ein, mit dem Reiterstandbild in Aktion zu treten. So hatten alle drei Holzkonstruktionen eine Funktion und konnten (zumindest theoretisch) genutzt werden.
Besucher*innen konnten sich hinter das Steuer des Ferrari setzen, konnten den Kurfürsten durch das Fernrohr anvisieren und die Drohne auf der Landeplattform hätte fliegen können (aus Sicherheitsgründen wurde dies in der Kuppel aber letztendlich nicht genehmigt). Hinzu kam bei der Präsentation ein eingespieltes Ferrari-Motorengeräusch, welches laut durch die ganze Kuppel schallte.
Einschreibung in den Museumsraum
Die teilnehmenden Jugendlichen wurden mit ihren Ideen und ihren selbst gebauten Objekten temporär Teil des Museums. Durch das Platzieren ihrer eigenen Entwürfe in Reaktion auf eines der repräsentativen Objekte im Eingangsbereich des Bode-Museums, veränderten sie den Museumsraum und erweiterten das Wahrnehmungsangebot. Entsprechend der Ausstellungskonventionen im Bode-Museum, wurden die Objekte der Schüler*innen mit einem Einführungstext und kurzen Objekttexten in Deutsch und Englisch gerahmt. Damit sollte den Arbeiten der Schüler*innen eine möglichst große Gleichwertigkeit gegenüber den Museumsobjekten gegeben werden und zugleich der Kontext markiert werden, in dem sie entstanden waren.
Was darf im Museum sichtbar werden? – Entwicklung im Vergleich zum Vorgängerprojekt
Die meisten der beteiligten Schüler*innen hatten bereits im Sommer 2017 in einem lab.Bode-Projekt mit dem Kurs „Holzgestaltung“ teilgenommen, dem Projekt „3D-Labor – Was fehlt hier?“. Geleitet wurde es von denselben Vermittler*innen und begleitet durch dieselbe Lehrkraft. In diesem Projekt bauten die Schüler*innen kleinere Objekte, die aus ihrer Sicht Fehlstellen zu Objekten oder in Museumsräumen ergänzten. Mit Techniken wie Gipsabguss, Holzkonstruktion und Pappmaché-Technik entstanden so zum Beispiel eine alternative Nase aus Gips für eine Büste von Kant, einer Figurengruppe wurde ein kleiner Elefant zur Seite gestellt und eine Konfettimaschine wirbelte in einem Plexiglaskasten Papierteilchen auf und warf Schatten und Lichtreflexe in die Museumsräume. Die entstandenen Objekte des Projekts „3D-Labor“ wurden in mehreren Ausstellungsräumen in direktem Bezug zu den jeweiligen Museumsobjekten gezeigt. Allerdings fand diese Präsentation nur innerhalb der Schließzeit des Museums und ausschließlich für die Projektteilnehmenden selbst statt. Auch wenn der Museumsdirektor sich die Schüler*innenarbeiten zeigen ließ und diese wertschätzte, war eine öffentliche Präsentation im Museum nicht möglich. Grund dafür waren einerseits fehlende Erfahrungen mit dauerhafteren, öffentlichen Präsentationen von Projektergebnissen aus der Vermittlung innerhalb der Ausstellungsräume. Üblicher waren zu diesem Zeitpunkt Präsentationen in den jeweiligen Vermittlungsräumen des Museums. Andererseits hatten die Workshopleiter*innen nicht von vornherein einen Ergebnisdruck aufbauen wollten und daher sehr kurzfristig entschieden, die entstandenen Objekte im Ausstellungsraum aufzustellen. Eine öffentliche Präsentation hätte mehr Vorlauf für Absprachen mit Museumsleitung und Sicherheitspersonal erfordert.
Bei dem Folgeprojekt „Schneller! Höher! Weiter!“ (April bis Juni 2018) war eine öffentliche Ausstellung der Ergebnisse im Eingangsbereich des Museums für vier Tage möglich.
Wie kam es zu dieser Entwicklung? Zum einen baute das Projekt „Schneller! Höher! Weiter!“ auf den Erfahrungen des Vorgängerprojekts „3D-Labor“ auf und eine Sichtbarmachung des Projekts und seiner Ergebnisse war von Beginn an zentraler Bestandteil der Projektidee. Zudem hatte in der Museumsinstitution ein Lernprozess stattgefunden. Die Mitarbeiter*innen von lab.Bode wussten, wie wichtig es für eine gelungene Präsentation war, dass Rahmenbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen vorab mit Restaurator*innen und Sicherheitsabteilung geklärt wurden. Zusätzlich hatten zwei andere lab.Bode-Projekte den Kurator*innen und dem Museumsdirektor gezeigt, wie Arbeiten von Schüler*innen im Museum sichtbar werden konnten: Im Projekt „Loading…“ (Januar bis März 2018) gestalteten Schüler*innen eine eigene Ausstellung in den lab.Bode-Räumen und verwiesen mit eigenen Labeln innerhalb der Ausstellungsräume und an ausgewählten Objekten auf ihre Ausstellung. Die Ergebnisse des Trickfilmprojekts „Menschenbilder“ (Januar 2018) wurden auf iPads verteilt und stellten direkte Bezüge zu Ausstellungsobjekten her. Es war also weniger ein reflektierter Prozess, der gezielt zwischen lab.Bode und der Museumsleitung stattfand, sondern die verschiedenen Projekte, die auf unterschiedliche Weise Ergebnisse in den Ausstellungsräumen sichtbar machten, bewirkten dass es nun selbstverständlicher war, Projektergebnisse öffentlich zu zeigen.
Mit Schüler*innen im Bode-Museum aktiv Raum einzunehmen, war kein einfaches Vorhaben. Auch die Reflexion des Projekts „Schneller! Höher! Weiter!“ zeigt, wie wichtig die Kommunikation innerhalb der verschiedenen Arbeitsbereiche im Museum vorab ist. Neben den praktischen Fragen zu konservatorischen Rahmenbedingungen, muss auch die Frage „Wer darf im Museum, was und auf welche Weise zeigen?“ immer wieder aufs Neue diskutiert und ausgehandelt werden.